Die Briefe Paul Gauguins an den Freund Georges Daniel de Monfreid gehoren zu den ergreifendsten autobiographischen Dokumenten des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Einsetzend mit dem Aufbruch Gauguins im Jahre 1891 nach Tahiti, jener von dem "verfaulenden" Europa fernen Inselwelt, wo der Maler erfahren sollte, "dass ein Kinstler etwas Nutzliches ist", und endend im Todesjahr 1903, gibt diese Brieffolge einen zusammenhangenden Bericht uber das Lebensjahrzehnt, in dem Gauguins Schffen seinen Hohepunkt erreichen sollte. Im authentischen Spiegel dieser Briefe erscheint der Mensch wie der Kunstler, die ganze zwiespaltige Personlichkeit dieses Zeitgenossen Vincent van Goghs und Paul Cezannes, und sie enthullen den gesellschaftlichen Bezug seines Schicksals ebenso wie die Ursprungsquellen seiner Kunst. Wenn der Leser von heute dabei manchmal uber die Skepsis und die Bitterkeit, mit der Gauguin von seiner Zeit und ihren Menschen spricht, verwundert sein mag, so darf er nicht vergessen, dass diese Zeit, die schon unter den Vorzeichen des Niedergangs der burgerlichen Gesellschaft stand, ihre besten aufrechtesten Kunstler in die Isolation drangte und ihr Schaffen meist nur in bewusster Wendung gegen die Zeit und die Gesellschaft ein echtes Fundament finden konnte. Und wenn der letzte Brief dieser Brieffolge mit den erschutternden Worten "alle diese Sorgen toten mich" endet, so steht dieser aus dem individuellen Schicksal Gauguins geborene Ausspruch stellvertretend fur das Leben einer ganzen Kunstlergeneration. Er bedeutet den Urteilsspruch uber eine Zeit, "wo es nur um Geld und Soldaten ging", wie Vincent van Gogh schrieb, nicht aber um den Menschen und seine W?rde, um das Wahre und Schone.